Das Wetter in Korea

35 Grad bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit

Schon auf dem Hinflug fällt die ausgesuchte Höflichkeit der Menschen auf. Manentschuldigt sich grundsätzlich mit einem Lächeln und lässt dem anderen den Vortritt. Nur kurz hatte ich es gewagt, die Air Conditioning des Flughafens zu verlassen, um explodierende Schweißdrüsen auf dem kurzen Weg zum Taxi erleben zu dürfen. Aber Koreaner lächeln immerzu, man weiß nur nicht, ob aus Mitleid oder wissend, dass der Sommer nach der Monsunzeit im Juli ja erst noch richtig kommt. Auch sie leiden unter der feuchten Hitze, sie fächern sich Luft zu oder tragen einen Schirm gegen die Sonne. Und fast alle Gebäude und Geschäfte haben Air Conditioning, so sind nur die Wege zwischen Gebäuden ein Problem.

Stilvolle Kleidung und höfliche Umgangsformen

In Korea ist man anspruchsvoll gekleidet, auch die Studenten einen Tic besser als bei uns. Plus Designer-Taschen, Handy, E-Wörterbuch, MP3-Player und anderes mehr nach dem (für uns) nächsten Stand der Technik. Auch koreanische Studenten jobben nebenbei und träumen von Karriere. Die PR-Managerin, die mir stolz bei LG-Electronis die größten Flachbildschirme der Welt vorführt, ist Absolventin meiner koreanischen Uni, sie hat vor einem halben Jahr ihren Bachelor in Marketing gemacht. Als Prof für Personalmanagement interessieren mich natürlich mehr ihre Arbeitsbedingungen: Montag bis Freitag von 8 bis 19 Uhr, LG zahlt ihr Appartement auf Firmengelände inklusive Reinigung, Mahlzeiten, Busservice zur Stadt undsoweiter. Meine Kritik an der scheinbaren Kasernierung halte ich natürlich höflich zurück, denn für sie ist es ein großer Fortschritt. Noch nie hatte sie ein eigenes Zimmer, zu Hause musste sie sich ein Zimmer mit Geschwistern teilen und im Studium mit drei anderen Studentinnen.

Vom Entwicklungsland zur Wirtschaftsmacht

Die Kyungpook National University liegt im Südosten Koreas in Taegu mit 2,5 Millionen Einwohnern. Von den 25.000 Studenten leben 5.000 auf dem Campus. Eine Kleinstadt für sich. 600 Euro Studiengebühren plus 900 Euro pro Semester für ein Bett im Vierbett-Zimmer mit Mensa-Vollverpflegung. Bisher kamen Gast-Profs nur aus den USA. Als erster Europäer spüre ich sehr das wachsende Interesse an Europa. Deutschland hat einen sehr guten Ruf, natürlich kennt man Mercedes und Bayern München. Doch man spürt auch deutlich das Selbstbewusstsein der Koreaner über ihre aufkommende Führungsrolle in der Weltwirtschaft. Und dieser Stolz ist nachvollziehbar. Fast alle meine Studenten studierten ein Semester in den USA, in Japan oder Australien. Und ihr Land ist innerhalb von 20 Jahren vom Entwicklungsland zur reichen Wirtschaftsmacht aufgestiegen (ungeachtet der damit verbunden Probleme natürlich).

Im Hörsaal herrscht Disziplin

Natürlich ist jeder sehr höflich und nervt seine Umgebung und den Prof nicht mit Kauen, man ist pünktlich und geht erst nach der Vorlesung, um nicht zu stören. Umgangsformen, die ich von Unis in den USA und vielen anderen Ländern kenne und bei uns vermisse. Trotzdem ist auch Nightlife auf dem Campus und in den Studentenvierteln angesagt: Straßen, Kneipen und Restaurants sind voll von lachenden Menschen. Und sie machen Witze über alles und jeden, natürlich am liebsten über Japaner und Chinesen und auch über sich selbst. Aber ein Witz oder Kritik an Korea verbietet sich von selbst. Erstens aus Höflichkeit dem Gastgeber gegenüber und zweitens sind die Menschen sehr stolz auf ihr Land. Aber niemand ist betrunken oder wird ausfallend, denn Höflichkeit und Gesicht wahren gehört zur Persönlichkeit.

Überall ist Shopping angesagt

Wer Schuhe sucht, geht in die Straße der Schuhgeschäfte, in der nächsten Straße sind die Telefon-Shops, dann folgt die Straße mit den Buchläden, alles schön nach Branchen. Die Preise gleichen unseren. Natürlich gibt es auch die engen verwinkelten asiatischen, einem Labyrinth ähnlichen Märkte mit all den sonderbaren Waren und Gerüchen, über die man schon etwas im Fernsehen gesehen hat. Korea ist ein Land der extremen Gegensätze: auf der einen Seite die Traditionen, die Märkte mit den von harter Arbeit geprägten Gesichtern der Reisbauern, die Tempel und Buddha-Statuen sowie die überaus höflichen Umgangsformen konfuzianischer Tradition, auf der anderen Seite explodierender Fortschritt mit glitzernder Elektronik, Autos, Wolkenkratzern und Schnellbahnen. Die Hauptstadt Seoul mit 23 Millionen Einwohnern degradiert die Kulisse von Manhatten zum Nichts. Auf den achtspurigen Straßen fahren die Unmengen an Autos zwar schnell, aber rücksichtsvoll und geordnet, und niemand würde bei Rot die Ampel überqueren.

In Korea sind die Stäbchen eckig

Essen ist für Europäer sicher zunächst ein Problem. Frühstück mit Brötchen und Marmelade oder Käse ist unbekannt und Kaffee eine teure Spezialität. Statt dessen heiße Reissuppe. Mittags und abends kalte und warme Suppen, viel Gemüse, Nudeln und Obst. Laufend werden Beilagen nachgelegt. Zwei- bis dreimal in der Woche trifft man sich im Restaurant wie bei uns in Cafes oder Kneipen. Restaurants sind deutlich preiswerter als bei uns – bei vergleichbarem Einkommensniveau. Und es wird sehr gesund gegessen, man sieht keine übergewichtigen Menschen. Kaum Fett und Zucker, viel Salat und Gemüse, roh oder gedünstet, relativ wenig Fleisch. Und alles in kleinen Bissen mit Stäbchen. Im Unterschied zu China sind die Stäbchen viereckig, was es etwas einfacher macht … na ja, relativ. Denn wir relativ großen Europäer können nicht zwei oder drei Stunden an flachen Tischen auf dem Boden im Schneidersitz hocken. Da kleckert selbst der stäbchenerfahrene Gourmet. Kurzum, nach jedem Essen musste eine Hose zur Reinigung. Aber gerade solche Dinge machen das Leben in fremden Kulturen so spannend.